Weg mit der Schuldenbremse - oder die deutsche Infrastruktur kann nicht saniert werden! Diese Scheinalternative stellen SPD und Grüne immer wieder dar, so etwa jüngst nach dem Einsturz der Carolabrücke in Dresden oder zuvor im monatelangen Haushaltsstreit der Ampelkoalition. Damit suchen sie sich vor allem zulasten der FDP als Ausgabenkönige zu profilieren - ein Vorgeschmack auf den Bundestagswahlkampf. CDU und CSU werden diesen vermeintlich leichteren Weg nicht mitgehen. Nicht nur, weil die Schuldenbremse finanzpolitische Solidität garantiert, sondern auch, weil weder ihre Abschaffung noch ihre Umgehung für Sanierung und Ausbau der deutschen Infrastruktur notwendig sind.
Vielmehr bedarf es einer anderen Prioritätensetzung des Staates. Statt mit dem Verteilen von immer mehr Steuergeldern nach dem Gießkannenprinzip Wählerstimmen erheischen zu wollen, müsste die Ampelkoalition stärker auf einen zielgenauen Sozialstaat setzen. Allein eine Reform des Bürgergeldes würde Deutschland pro Jahr einen Milliardenbetrag für die Infrastruktur verschaffen.
Beim Infrastrukturausbau muss die nächste Bundesregierung auch stärker privates Kapital heben. Versicherungen und Private-Equity-Fonds sitzen auf Billionen Euro, die sie investieren wollen. Auf der ganzen Welt werden viele Infrastrukturprojekte erfolgreich von privaten Unternehmen finanziert, gebaut und betrieben. Im Gegenzug erhalten sie beispielsweise einen Anteil an den Lkw-Mauteinnahmen oder laufende Zahlungen der staatlichen Projektträger, die sich wiederum Aufsichts- und Kontrollrechte sichern.
Einerseits wird damit sichergestellt, dass die Infrastruktur langfristig gemeinwohlorientierten Zwecken dient, andererseits stellen die beteiligten Privatunternehmen benötigtes Kapital zur Verfügung, tragen das wirtschaftliche Risiko und sorgen für effiziente Strukturen. Derzeit sind öffentlich-private Partnerschaften für die deutsche Infrastruktur jedoch oft nur schwer möglich. Die bestehenden Modelle müssen daher weiterentwickelt werden. Dabei muss sichergestellt werden, dass nicht nur Großunternehmen von ihnen profitieren können.
Viel zu häufig scheitern Infrastrukturausbau und -sanierung aber nicht nur am Geld, sondern an unserem überkomplizierten Rechtssystem. Die neue Köhlbrandbrücke in Hamburg soll etwa erst in den 2040er-Jahren fertig sein, weitere Projekte wie die Fehmarnbeltquerung ließen sich anführen. Spätestens nach der nächsten Bundestagswahl wird eine unionsgeführte Bundesregierung deshalb Reformen zur Planungsbeschleunigung durchführen müssen.
Eine der größten Infrastrukturbremsen ist das Verbandsklagerecht. In Deutschland, mit seinen hohen Umweltstandards und einer konsequenten Rechtsprechung, hat sich daraus eine regelrechte Klageindustrie zur Verhinderung neuer Infrastrukturvorhaben entwickelt. Um Missbrauch einzugrenzen, muss das Verbandsklagerecht daher auf Bundesebene weitestmöglich eingeschränkt werden.
Auch jenseits des Verbandsklagerechts kommt es viel zu häufig vor, dass Infrastrukturprojekte nach jahrelanger und abgeschlossener Planung doch noch gerichtlich gestoppt werden, weil plötzlich irgendwo noch ein Exemplar einer seltenen Tier- oder Pflanzenart entdeckt oder eine einschlägige Verordnung geändert wurde. Dieser Entwicklung muss mit Stichtagsregelungen ein Riegel vorgeschoben werden: Einmal muss die für ein Projekt geltende Rechtslage zu einem bestimmten Datum unabänderlich gelten. Zum Zweiten dürfen neue Einwendungen gegen ein Projekt nur noch innerhalb einer Frist vorgebracht werden können.
Darüber hinaus wird eine neue unionsgeführte Bundesregierung an zahlreichen weiteren Stellschrauben unseres Planungsrechts drehen müssen. Etwa wird man bei den meisten Ersatzbauten auf neue Planfeststellungen und Umweltverträglichkeitsprüfungen verzichten können. Um Verwaltungsabläufe konsequent zu digitalisieren, muss vorgeschrieben werden, dass wichtige Verfahrensschritte wie Auslegungen nur noch im absoluten Ausnahmefall analog durchzuführen sind. Vom sogenannten vorzeitigen Baubeginn, bei dem bereits mit dem Bau begonnen werden kann, wenn ein positiver Abschluss des Planungsverfahrens wahrscheinlich ist, muss leichter Gebrauch gemacht werden können. Und es braucht sogenannte Genehmigungsfiktionen, die dazu führen, dass Projekte automatisch genehmigt sind, wenn ein Antrag nach einer gewissen Zeit von der zuständigen Behörde noch nicht beschieden wurde. All dies berührt europarechtliche Regelungen nicht und könnte sofort vom Bundesgesetzgeber umgesetzt werden.
Sowohl eine neue Prioritätensetzung bei den Staatsausgaben zugunsten von Infrastrukturausbau als auch die dringend benötigte Vereinfachung unseres Planungsrechts werden erwartbar auf Widerstände vor allem der linken Parteien treffen. Diese Aufgabe wird daher nach der Abwahl der Ampelkoalition der CDU und CSU zufallen. Wir sind dafür bereit.
Der Artikel erschien am 1. Oktober 2024 in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ).