Keine neuen Autos mit Verbrennungsmotoren, keine Kurzstreckenflüge – diese und ähnliche Forderungen finden sich im Wahlprogramm der Grünen. Abseits des sorgsam formulierten Programms gehen ihre Vertreter noch weiter: „Die Deutschen sollen nur noch dreimal im Jahr fliegen dürfen“, forderte beispielsweise der Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek. Andere Grünen-Politiker erfreuen sich an der Umsetzung von Fahrverboten in Deutschlands Großstädten, wieder andere wollen das Autofahren immer teurer machen.

Dahinter steht eine grundsätzliche Haltung: Klimaschutz soll mit verordnetem Verzicht, Bevormundung und staatlichen Auflagen erreicht werden. Wenn Politiker immer stärker darüber entscheiden, wie Menschen zu wohnen und zu leben haben, wenn die CO2-Reduktion für Verbraucher und Unternehmen mit immer weiter steigenden Kosten verbunden ist, dann dürften Ablehnung und Skepsis gegenüber dem wichtigen Thema Klimaschutz programmiert sein.

Wenn sich eine Pflegekraft kein Auto mehr leisten und die deutsche Stahlindustrie nicht mehr wettbewerbsfähig produzieren kann, wird dies zu Verwerfungen führen. Staatlich oktroyierten Verboten steht zudem ein geringer Nutzen für das Weltklima gegenüber, weil eine solche Politik außerhalb Deutschlands keine Vorbildwirkung entfalten wird und die direkten Auswirkungen auf das Klima im Weltmaßstab marginal sind. Nationale Alleingänge bringen gerade beim Klimaschutz so gut wie nichts.

Eine moderne bürgerliche Politik ist daher aufgefordert, diesem dystopischen Ansatz ein positives Zukunftsbild entgegenzusetzen – denn welche Gesellschaft will aus der bloßen Abwendung einer Katastrophe positive Energie gewinnen? Eine bürgerliche Klimapolitik muss das Ziel haben, die kreativen Kräfte der Gesellschaft freizusetzen und Bürger, Unternehmen und Arbeitnehmer als Partner zu betrachten, nicht als zu bevormundende Objekte. Eine solche Politik geschieht nicht im luftleeren Raum, erst recht nicht nach der Coronakrise mit ihren negativen ökonomischen Auswirkungen.

Viele fragen sich: Wie schaffen und erhalten wir Arbeitsplätze? Wie sichern wir auf Dauer unseren Wohlstand? Wie können wir die Klimaschutzziele erreichen, ohne wirtschaftliche und soziale Strukturen zu zerstören? Hier liegt die große Chance für CDU und CSU, Klimaschutz- und Wirtschaftspolitik miteinander zu verbinden und ein eigenständiges Profil zu gewinnen. Damit könnten die Unionsparteien zugleich die klimapolitische Leerstelle schließen, die sich seit den 1970er- Jahren aufgetan hat. Deshalb drei Vorschläge, um modernen Klimaschutz zu einem Markenzeichen der Unionsparteien zu machen:

1. Die deutsche Wirtschaft muss ihre Produktion von Öl auf Strom umstellen, um klimafreundlich zu werden. Allein in der Chemieindustrie wird sich der Strombedarf laut aktuellen Studien bis Mitte der 2030er-Jahre verzehnfachen. Diese zusätzliche Strommenge muss erzeugt werden, ohne viel CO2 auszustoßen. Woher soll der saubere Strom kommen, wenn wir aus Kohle und Kernkraft aussteigen? Neben Gas, das für eine Grundlastkapazität unverzichtbar ist, müssen sich CDU und CSU zum massiven Ausbau der erneuerbaren Energien bekennen.

Es gibt wenige Staaten, die das darin liegende Potenzial bereits vollständig erkannt haben. Großbritannien gehört dazu. „Was Öl für Saudi-Arabien ist, ist Wind für das Vereinigte Königreich“, sagte der britische Premier Boris Johnson. Bürgerliche Parteien legen zu Recht einen Fokus darauf, in Infrastruktur zu investieren, um damit die Grundlage für Mobilität, Wohlstand und eine starke Wirtschaft zu legen, ohne die auch Ausgaben in Bildung oder den Sozialstaat nicht finanzierbar wären.

Den Bau von Windkraftanlagen beschleunigen

Diese Investitionen brauchen wir nicht nur in Glasfaserausbau, Schienen oder Brücken, sondern auch in Windkraft- oder Photovoltaikanlagen. Wer heute durch Investitionen in erneuerbare Energien die günstigsten Strompreise für Industrieunternehmen und den Mittelstand anbieten kann und dabei gleichzeitig zukunftsfähige Schlüsseltechnologien entwickelt, wird morgen einen unschlagbaren Standortvorteil haben. Dazu müssen insbesondere Planung und Bau von Windkraftanlagen beschleunigt werden – etwa durch eine stärkere Digitalisierung der Verwaltung und die Bündelung von Antragsverfahren bei einer Behörde.

2. Effiziente Klimapolitik setzt auf Soziale Marktwirtschaft, Innovationen und Technologieoffenheit. Wir dürfen Flugzeugbauer wie Airbus nicht im internationalen Wettbewerb schwächen. Das Ziel muss vielmehr sein, Fliegen mithilfe von Wasserstoff oder klimaneutralen Kraftstoffen wie E-Fuels klimaneutral zu machen. Deutschland hat mit seiner Ingenieurskunst und dem Küstenwind die große Chance, hier neue Schlüsselindustrien aufzubauen – von Speichertechnologien bis hin zu CO2-neutralen Kraftstoffen.

Dafür sind aber gleiche Rahmenbedingungen für alle klimafreundlichen Technologien notwendig. Ein Beispiel: Nach der aktuellen Gesetzeslage werden im Mobilitätssektor durch CO2-Anrechnungsverfahren fast ausschließlich jene belohnt, die auf batteriebetriebene Elektromobilität setzen. Stattdessen müssen alle klimafreundlichen Technologien gleiche Chancen erhalten. Die Politik sollte die Ziele setzen, die Wege dahin aber Unternehmen und Verbrauchern überlassen.

Hinzu kommt: Selbst wenn wir bei der E-Mobilität bis 2030 unsere Ziele erreichen, werden immer noch etwa 35 bis 40 Millionen Autos mit einem Verbrennungsmotor auf den Straßen sein. Diese Autos müssen also mit klimaneutralen Kraftstoffen möglichst klimaneutral fahren können. Ob Batterie, Wasserstoff oder E-Fuels: Dies ist keine Frage des Entweder-oder, sondern des Sowohl-als-auch.

Wir dürfen nicht restriktiv regulieren

3. Gerade die Pandemie zeigt in aller Deutlichkeit: Deutschland braucht mehr Pragmatismus und eine zukunftsoffenere Mentalität. Falsche Prioritätensetzungen beim Datenschutz und überzogene Bürokratie verhindern Innovationen. Digitale Strommessgeräte etwa sind in vielen europäischen Ländern mittlerweile Standard. Sie sorgen dafür, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigt und die Energieeffizienz verbessert werden kann.

Während in Schweden längst die nächste Generation intelligenter Zähler installiert wird, diskutiert Deutschland noch über die Umsetzung. Ähnliches lässt sich beobachten, wenn CO2 unter der Erde gelagert werden soll. Während diese Technik in Deutschland blockiert wird, setzen Länder wie die Niederlande oder Norwegen längst darauf.

Flugzeuge, die mit E-Fuels fliegen, Lkw, die mit Brennstoffzellenantrieb fahren, Stahl, der mit grünem Wasserstoff hergestellt wird – wir müssen dem Neuen eine Chance geben, wenn wir die Klimaschutzziele erreichen und damit gleichzeitig den Wirtschaftsstandort Deutschland stärken wollen. Dafür dürfen wir nicht restriktiv regulieren, sondern müssen positive Entwicklungen ermöglichen und Potenziale entfesseln. Diese positive Geschichte sollten die Unionsparteien schreiben – sie sind dafür prädestiniert.

Der gemeinsame Gastbeitrag mit dem Historiker Prof. Dr. Andreas Rödder erschien am 26. Mai 2021 im „Handelsblatt“.