Aufmerksamen Beobachtern des politischen Diskurses in unserem Land wird auffallen, dass linke Identitätspolitiker immer häufiger versuchen, diesen zu vereinnahmen. Sie teilen die Menschen vor allem über äußere Merkmale wie das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung in einzelne Gruppen ein, deren vermeintliche oder tatsächliche Diskriminierung oder Privilegierung es zu bekämpfen gelte. Im Ergebnis würde die Politik kein Allgemeinwohl mehr kennen, nur noch die Partikularinteressen einer gespaltenen Gesellschaft.

Wie so oft, wenn sich ideologisch motivierte Gruppen des öffentlichen Diskurses bemächtigen wollen, wählen die linken Identitätspolitiker zunächst das Feld der Sprache. Denn von der Sprach- zur Gedankenpolizei ist es – wie schon Orwell wusste – nur ein kurzer Weg. Ein scheinliberales Milieu möchte daher beispielsweise aus „Fußgängern“ „Zu-Fuß-Gehende“ machen, um das grammatische Genus vermeintlich verschwinden zu lassen.

Verunfallte Autofahrende 

Dies treibt so seltsame Blüten wie „verunfallte Autofahrende“ – ein Widerspruch in sich. Anstatt von „Ärzten“ oder „Ärztinnen und Ärzten“ ist wahlweise von „Ärzt*innen“, „Ärzt_innen“ oder „Ärzt:innen“ zu lesen – Formen, die nicht von der amtlichen Regelung der deutschen Rechtschreibung gedeckt sind. In diesem Milieu entstehen Wortungetüme wie „Passivraucher*innenschutzverordnung“. Manche wollen sogar Wörter wieMigrant oder „Einheimische“ in der Berichterstattung abschaffen.

Diese Bemühungen lassen unsere Sprache verarmen – von ästhetischen Gesichtspunkten mal ganz abgesehen. Wenn etwa Substantive durch substantivierte Partizipien ersetzt werden, werden Unterschiede wie der zwischen einem Kochenden und einem Koch verwischt. Aber es geht eben nicht nur um die richtige Anwendung der deutschen Grammatik. Hinter der Gender-Sprache verbirgt sich ein identitätspolitisches Weltbild.

Sogar in der Schule wird gegendert 

Allgemeine Formulierungen sollen nicht mehr ausreichen, möglichst jede einzelne geschlechtliche Identität muss sichtbar gemacht werden, da die jeweilige Gruppe sich sonst angeblich nicht angesprochen fühlt. Weder das Gemeinsame in der Gesellschaft noch das einzelne Individuum stehen bei diesem Ansatz im Mittelpunkt, sondern es geht nur noch um äußere Merkmale und Gruppenidentität.

Trotzdem greift die Gender-Sprache auch in Behörden, Universitäten, Schulen oder anderen staatlichen Einrichtungen immer weiter um sich. Studenten schreiben aus Angst vor schlechten Noten widerstrebend in der Gender-Sprache; Forscher, die etwa Anträge bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG stellen, fürchten Schwierigkeiten, wenn sie nicht alle Texte durchgendern; selbst in Schulen kommt es immer häufiger vor, dass Lehrer den Kindern mindestens nahelegen, zu gendern – trotz eines Beschlusses der Kultusministerkonferenz, dass die amtliche Rechtschreibung zu lehren ist.

Die spalterische Gefahr 

Natürlich entwickelt sich Sprache ständig weiter, und selbstverständlich sollte jeder privat so sprechen und schreiben können, wie er möchte. Wenn aber staatliche Einrichtungen ohne jegliche Grundlage oder Legitimation anderen eine orthografisch und grammatisch fehlerhafte Gender-Sprache aufzwingen möchten, sollten in der bürgerlichen Mitte alle Alarmglocken schrillen.

Im benachbarten Ausland hat man bereits erkannt, welches spalterische Potenzial in der Gender-Sprache liegt und dass sie der Bildung jüngerer Menschen schadet: Aus Frankreichs Schulen und Gesetzesblättern soll die Gender-Schreibweise daher verbannt werden. Auch bei uns warnen führende Intellektuelle wie der Historiker Andreas Rödder, der Philosoph Peter Sloterdijk oder der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse vor der spalterischen Gefahr, die von der Gender-Sprache für unsere Gesellschaft ausgeht. Auch eine klare Mehrheit der Deutschen lehnt die Gender-Sprache laut Umfragen ab und möchte sie sich schon gar nicht aufzwingen lassen. Sie alle wissen, dass die Gender-Sprache das wichtige Ziel der Gleichberechtigung in keiner Weise fördert. Wäre das so, müsste in Ländern mit genuslosen Sprachen wie Ungarn oder der Türkei die Diskriminierung von Minderheiten völlig unbekannt sein.

Auf der Seite der bürgerlichen Vernunft 

CDU und CSU sollten sich in ihrem Regierungsprogramm daher klar auf die Seite der bürgerlichen Vernunft im Land stellen und Repräsentanten für die vielen Wähler im Land sein, denen dieses Anliegen wichtig ist. Ins Regierungsprogramm gehört das Versprechen, dass in allen Behörden, Schulen, Universitäten und anderen staatlichen Einrichtungen die amtliche Rechtschreibung und damit keine grammatisch falsche Gender-Sprache verwendet wird.

Gerade die Jüngeren und Modernen in CDU und CSU haben erkannt, dass wir den Zusammenhalt in unserem Land nicht dadurch stärken, indem Menschen immer häufiger in Gruppen einsortiert werden. Wir brauchen stattdessen in unserer Gesellschaft mehr Empathie und die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Sprache sollte einen und zusammenführen, sie darf nicht ausschließen. Die bürgerliche Mitte muss daher auch in Deutschland einer spalterischen Identitätspolitik entschlossen entgegentreten.

Der Gastbeitrag erschien am 02. Juni 2021 im „Cicero“.