Deutschland steckt in der zweiten Coronawelle. Alle paar Wochen den Lockdown zu verschärfen, ist keine langfristige Strategie. Deutschland muss seine Prioritäten ändern.

März 2020: Es zeichnet sich immer stärker ab, dass sich das Coronavirus auch in Deutschland ausbreitet. Ebenso wie in anderen europäischen Staaten ergreift unser Land rigide Maßnahmen und leitet einen einschneidenden Lockdown ein: Kontaktbeschränkungen und Schulschließungen werden beschlossen, die Wirtschaft wird massiv heruntergefahren.

November 2020: Die befürchtete zweite Welle ist da. Erneut kämpft Deutschland wie der Rest Europas mit steigenden Infektionszahlen. Wie im Frühjahr setzt unser Land auf die Einschränkung von Grundrechten und die Schließung von Betrieben.

Alle paar Wochen ein Lockdown ist keine Langfriststrategie

Viele Unternehmer und Arbeitnehmer fragen sich nach diesen erneuten Maßnahmen zu Recht: Überlebt meine Firma einen weiteren Lockdown? Soll es jedes Mal bei steigenden Infektionszahlen zu solch rigiden Beschlüssen kommen, die zu enormen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kollateralschäden führen?

Auf diese Fragen langfristige Antworten zu finden ist dringender denn je. Immer mehr Virologen weisen darauf hin, dass selbst ein Impfstoff nicht die sofortige Erlösung und Normalisierung unseres Lebens bedeutet, sondern dass wir vermutlich über einen langen Zeitraum lernen müssen, mit dem Coronavirus zu leben.

Deswegen ist für uns beide klar: Alle paar Wochen je nach Entwicklung der Infektionszahlen einen weiteren Lockdown zu verhängen und auf teilweise mittelalterliche Methoden zu setzen kann und darf nicht die langfristige Strategie sein.

Tracing wie in Asien beschleunigt alle Prozesse

Wenn man sich anschaut, wer in der Welt das Coronavirus erfolgreich bekämpft, stößt schnell auf demokratische Staaten in Asien: Japan, Südkorea und Taiwan. Allen diesen Ländern ist gemein, dass sie auf Künstliche Intelligenz sowie Tracing-Apps setzen und Echtzeitdaten miteinander verbinden, um Infektionsketten möglichst früh zu unterbrechen.

Die digitalen Systeme sind in der Lage, bereits vor den ersten Symptomen eine mögliche Infektion zu erkennen und die Nutzer zu informieren. Dieses Vorgehen gibt jedem von ihnen die Möglichkeit zur Selbstkontrolle. Bei einer tatsächlich bestätigten Infektion kommt dann der Staat ins Spiel.

Das digitale Tracing der asiatischen Gesundheitsämter beschleunigt alle Prozesse, ist ressourcenschonend und führt letztlich zu einer effizienten Kontrolle der Pandemie. Konsequente digitale Kontaktverfolgung rettet dort Menschenleben, sichert Freiheitsrechte und bewahrt Unternehmen vor Schließungen oder gar der Insolvenz.

In Deutschland wäre ein solcher Ansatz aufgrund der strengen Datenschutzregeln derzeit nicht denkbar: Die dezentrale Corona-Warn-App ist angesichts der aktuellen Gesetzeslage und erwartbarer Proteste linker Lobbygruppen das Maximum dessen, was die Bundesregierung herausholen konnte. Alle anderen Lösungen waren vor diesem Hintergrund von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Das treibt dann solche Blüten, wie wir sie in den vergangenen Monaten in Restaurants mit der manuellen Erfassung von Kontaktdaten kennen gelernt haben, die zu einer enormen „Zettelwirtschaft“ führte. Die deutsche App kann informieren und reagieren, eine Verbindung zu den immer noch mit Faxen arbeitenden deutschen Gesundheitsämtern besteht bis heute jedoch nicht. Asiatische Apps gehen hier aus gutem Grund deutlich weiter und haben den entsprechenden Erfolg.

Datenschutz ist nicht alles

Neben den gesundheitlichen Folgen und wirtschaftlichen Schäden entstehen dadurch in Deutschland vor allem Belastungen für die jüngeren Generationen, welche die Schuldenberge für die Lockdowns irgendwann abtragen müssen und daher weniger eigene Handlungsspielräume haben. Während in den vergangenen Monaten Grundrechte für den Schutz der Gesundheit immer wieder massiv eingeschränkt wurden, scheint der Datenschutz selbst in einer solchen Phase über allem zu stehen.

Wir sollten uns also fragen: Sollten wir nicht eine stärkere Bereitschaft in Deutschland zeigen, Daten sicher zu teilen, um Menschenleben zu retten, um die Wirtschaft am Laufen zu halten, um unsere Grundrechte wiederzuerlangen und um andere Folgeschäden zu vermeiden?

Der Gastbeitrag erschien am 08.12.2020 im Handelsblatt gemeinsam mit Philipp Möller.