„Deutschland ist im internationalen Vergleich bisher verhältnismäßig gut durch die Corona-Krise gekommen. Die Regierungen in Bund und Ländern haben dabei insgesamt einen ordentlichen Job gemacht, teilweise mit Unterstützung der Opposition wie in Hamburg durch die CDU. Jetzt geht es neben der Öffnung der Wirtschaft und dem Beginn der neuen Normalität vor allem darum, eine zweite Infektionswelle zu verhindern. Mit unserem 8-Punkte-Plan zeigen wir einen Weg, wie das gelingen kann. Dazu muss der Senat jetzt zügig handeln und eine Corona-Ampel als Frühwarnsystem einführen, damit das Infektionsgeschehen effektiv nachvollzogen werden kann. Die Testkapazitäten müssen zudem deutlich ausgeweitet werden, das heißt für Hamburg in jedem Bezirk mindestens ein niedrigschwelliges Corona-Testzentrum für Autofahrer und Fußgänger. Die Hamburger Gesundheitsämter müssen gestärkt und endlich digitalisiert werden, um das Meldesystem zu optimieren. Außerdem zeigt sich, dass gerade in Hamburg die Kommunikation des rot-grünen Senats mit der Wirtschaft und den Unternehmern deutlich verbessert werden muss. Das planlose Entlanghangeln von Senatssitzung zu Senatssitzung ist zu wenig. Branchenvertreter und Verbände müssen in weitere Lockerungen frühzeitig eingebunden werden, damit sich die Unternehmen darauf einstellen können. Klar ist schon heute: Hamburg braucht einen neuen Pandemieplan und muss aus den bisherigen Corona-Erfahrungen lernen, damit eine zweite Welle verhindert wird.“ – Dennis Thering und Christoph Ploß

Zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie und zur Bewältigung ihrer weitreichenden Folgen hat die Bundesregierung in enger Abstimmung mit dem Deutschen Bundestag und den Länderregierungen eine Reihe von umfassenden Maßnahmen verabschiedet. Trotz der Zwischenerfolge dieser Maßnahmen, die mit erheblichen Einschränkungen von Grundrechten verbunden waren und sind, muss jetzt das Hauptaugenmerk darauf liegen, eine zweite Infektionswelle im Herbst oder Winter 2020 und deren Folgen möglichst zu verhindern.

Da weder die deutsche Wirtschaft ein erneutes teilweises Runterfahren verkraften würde noch die Bereitschaft der Bürger dafür besonders groß sein wird, gilt es, konsequent Präventionsmaßnahmen voranzutreiben, um eine zweite Infektionswelle zu vermeiden, und aus den bisherigen Folgen der Corona-Pandemie zu lernen.

Da die Situation weiterhin ernst bleibt, fordern wir daher, die folgenden Punkte für das weitere Vorgehen zu berücksichtigen:

  1. Die Bundesregierung muss zur Verbesserung der Eindämmung des Virus schnellstmöglich eine App zur Kontaktverfolgung (Contact-Tracing-App) einführen, die einen wesentlichen Beitrag zum Nachverfolgen der Infektionsketten leisten kann, um eine erneute Ausbreitung des Coronavirus (SARS-CoV-2) zu verhindern. Kontaktpersonen der Kategorie I mit engem Kontakt, die ein höheres Infektionsrisiko haben, können über die Tracing-App nicht nur informiert, sondern auch direkt kontaktiert werden. Zugleich können eine Verringerung der Kontakte von betroffenen Kontaktpersonen und ggf. häusliche Absonderung erzielt werden, wodurch weitere Ansteckungen vermieden werden. Die Bürger sollten über die Tracing-App Informationen zur häuslichen Quarantäne sowie zum aktuellen Gesundheitszustand bis zum 14. Tag nach dem letzten Kontakt mit einem bestätigten COVID-19-Fall an das Gesundheitsamt digital melden können. Studien zufolge kann eine Tracing-App nur funktionieren, wenn über 60 Prozent der Bevölkerung sie nutzen; deshalb sollte die Bundesregierung bereits jetzt in eine umfangreiche Informationskampagne für die freiwillige Nutzung einer solchen Tracing-App einsteigen. Wer die persönlichen Vorteile kennt und darauf vertrauen kann, dass die eigenen Daten sicher sind, der wird auch bereit sein, eine solche App zu nutzen. Um die App laufend zu optimieren, sollte auf Methoden der künstlichen Intelligenz zurückgegriffen werden. Kontaktpersonen der Kategorie II, die ein geringeres Infektionsrisiko haben, könnten die App nutzen, um Informationen über die Verringerung von Kontakten und das Vorgehen bei eintretender Symptomatik zu erhalten.

 

  1. Die Dienste der Hamburger Gesundheitsämter müssen zur Verbesserung der Eindämmung des Virus dringend digitalisiert werden, um nicht nur die festgestellten Infektionszahlen tagesaktuell melden zu können, sondern um auch das elektronische Melde- und Informationssystem generell zu vereinfachen und zu beschleunigen. Aktuell bleibt das Potenzial der Digitalisierung, durch die zuverlässige Daten und Informationen abgebildet werden könnten, ungenutzt. So muss der verschlüsselte digitale Austausch von Gesundheitsdaten innerhalb Deutschlands und der Europäischen Union zeitnah umgesetzt werden. Hierfür muss die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) evaluiert werden, die den Prinzipien der Datensouveränität (Datensicherheit, Interoperabilität, Datenportabilität) folgt und technologieneutral und innovationsoffen ausgerichtet ist. Dabei ist zu beachten, dass die Gesundheitsämter die notwendige personelle Unterstützung für die Aufarbeitung der Infektionsfälle erhalten und dass das Personal weitergebildet werden muss, um die zusätzlichen Dienstleistungen kurz- und mittelfristig erbringen zu können.

 

  1. Der Hamburger Senat muss die Schutzmaßnahmen laufend evaluieren, da es zur Verhinderung einer zweiten Corona-Welle darauf ankommt, das Infektionsgeschehen effektiv nachvollziehen zu können. So sind die Basisreproduktionszahl (R-Wert über 1,0) und 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern im jeweiligen Landkreis keine ausreichenden Kriterien, um zu überprüfen, ob die Maskenpflicht und die Regelungen zum Kontaktverbot noch gerechtfertigt sind. Vielmehr muss einem erneuten Anstieg der COVID-19-Erkrankungen früh gegengesteuert werden, wobei die Auslastung und Kapazität der Hamburger Intensivbetten als ein weiteres Kriterium für weitere Maßnahmen berücksichtigt werden muss. Diese Corona-Ampel als neues Frühwarnsystem für Hamburg mit seinen drei Indikatoren muss zudem gegenüber den Bürgern transparent gemacht werden, um weitere Ansteckungen und das Ansteigen der Infektionskurve zielgerichtet zu vermeiden. Eine Kombination aus physischen Distanzierungsstrategien wie z. B. das Arbeiten von Zuhause und Einhalten der Quarantänebestimmungen sind entscheidend, damit unser Gesundheitssystem nicht überstrapaziert wird. Studien zufolge könnten diese Maßnahmen bis in das Jahr 2022 notwendig sein, um das Risiko einer zweiten Welle zu reduzieren.

 

  1. Der Hamburger Senat muss im Rahmen der Hygienemaßnahmen (Abstand in Restaurants, Einschränkung touristischer Aktivitäten etc.) laufend Re-Evaluationen vornehmen, um konsequente Erleichterungen in den Bereichen Gastronomie, Tourismus und Einzelhandel zu ermöglichen. Ziel muss es sein, Neuinfektionen zu verhindern, indem im Hinblick auf die Besucherzahlen und Hotelbettkapazitäten sowie Maskenpflicht klare und einheitliche Regeln für alle Bundesländer und für alle an Deutschland angrenzenden Länder geschaffen werden. Die Einführung eines EU-einheitlichen „Hygienezertifikats“ für Hotels wäre ein Lösungsansatz, um die Unternehmer zu unterstützen. Des Weiteren gilt es zu prüfen, inwiefern Reisebeschränkungen tatsächlich notwendig sind und ob es nicht ausreicht, Verhaltensmaßnahmen und -einschränkungen zu erlassen. Erlassene Beschränkungen und Hygienevorschriften müssen auch zuverlässig kontrolliert und Verstöße konsequent geahndet werden, denn die Einhaltung aller der Regeln ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass es zu keinem erneuten Rückfall kommt.

 

  1. Im Rahmen der Ausweitung der Hygiene- und Schutzmaßnahmen muss nach isländischem Vorbild die Zahl der Tests erhöht werden, um möglichst viele Menschen zu testen – nicht nur, wenn ein Verdacht auf eine COVID-19-Infektion besteht. Hierfür müssen weitere mobile Teststationen eingerichtet werden, damit Bürger sich niedrigschwellig untersuchen lassen können. In jedem Hamburger Bezirk muss mindestens ein Corona-Testzentrum für Autofahrer (Drive-In) und Fußgänger eröffnet werden, um Hamburgs Arztpraxen zu entlasten. Zudem muss in den Bereichen Pflege- und Gesundheitsversorgung, Lebensmittelindustrie, Gastronomie und in weiteren Branchen das Testen verpflichtend sein, um den Beschäftigten weiterhin das Arbeiten zu ermöglichen und Infektionsketten eindeutig nachvollziehen zu können. Nur so kann die Datenlage in Deutschland spürbar verbessert werden. Daran anschließend müssen die Fachlabore personell besser ausgestattet werden, damit der schnelle Transport der Vielzahl von Testproben gewährleistet erfolgen kann. Eine Verbesserung des Meldesystems sowie der Einkauf von Reagenzien bzw. Materialen, die einen gleichwertigen Ersatz für Schutzausrüstung darstellen, sind sowohl national als auch international zu prüfen.Im Kampf gegen das Coronavirus muss dringend ein verlässliches Testverfahren für die Antikörpertests entwickelt werden, um in der Praxis eindeutig nachzuweisen, dass gegen das neuartige Virus Antikörper gebildet wurden und somit eine Immunität besteht. Eine Vernetzung der Krankenhäuser und Forschungsinstitute kann an dieser Stelle zur Weiterentwicklung beitragen. Ziel muss es sein, mehr Investitionen in die medizinische Forschung zu vorzunehmen sowie die Produktion der Medikamente zurück nach Europa zu verlagern, um die Entwicklung eines Impfstoffes zu fördern beziehungsweise um die Medikamentenversorgung zu sichern. Dabei sollten zugleich Studien zur Immunität der Bevölkerung gegen das Coronavirus nach dem Vorbild des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf in ganz Deutschland in Auftrag gegeben werden, um weitere Informationen über das Verbreitungspotenzial des Virus zu erhalten. Auch sollten die Auswirkungen von SARS-CoV-2 auf weitere Organsysteme neben der Lunge intensiv erforscht werden, um Vorerkrankten bessere Überlebenschancen geben zu können.

 

  1. Die Bundesregierung muss zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung die EU-weite Koordination der Beschaffung von Masken und Schutzausrüstung im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft voranbringen, um den Risikogruppen einen besseren Schutz zu bieten und vor allem aber auch um das Personal in den Krankenhäusern und Arztpraxen sowie in den Berufen der Pflege besser und unkomplizierter auszustatten. Es ist zu prüfen, welche weiteren deutschen Unternehmen kurzfristig ihre Produktion auf Masken, Schutzkleidung und Desinfektionsmittel umstellen können, damit Deutschland weniger auf ausländische Kapazitäten angewiesen ist. Des Weiteren müssen Unternehmen dabei unterstützt werden, mit entsprechenden Schutzmaßnahmen ihre Produktion aufrechtzuerhalten.

 

  1. Die Bundesregierung sollte auf die psychologischen Folgen der Corona-Krise eingehen und entsprechende Unterstützungsmaßnahmen für die Bürger bieten.
    Dabei sollte es neben Kurzarbeit auch einen direkten Schutzschirm für Beschäftigte in den besonders betroffenen Branchen geben, um Existenzängste zu reduzieren. Zur Stärkung bzw. Wiederherstellung der psychischen Gesundheit sollten nicht nur die Krankenhäuser, sondern auch die Psychiatrien, Tageskliniken und weitere Angebote gestärkt und finanziell gefördert werden und mehr Personal bekommen. Ferner sollten nicht nur die Angebote der Sorgentelefone und Beratungsangebote (insb. Erziehungsberatung) aufgestockt, sondern auch die Suizidprävention massiv gestärkt werden. Die Einrichtung eines Einsamkeitsmonitorings kann insbesondere Älteren helfen, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten.

 

  1. Der Hamburger Senat muss umgehend die Kommunikation insbesondere mit der Wirtschaft und den Unternehmen verbessern und ein Mindestmaß an Planbarkeit sicherstellen.
    Bisher werden in jeder Senatssitzung kurzfristig Beschlüsse gefasst, die Unternehmen und ganze Branchen über Nacht unvorbereitet treffen. Das geht an der Wirklichkeit von Abläufen in Unternehmen vorbei. Weitere Lockerungen und das Wiederhochfahren der Wirtschaft müssen mit einem klaren Plan folgen, andere Bundesländer sind da Vorbild für Hamburg. Der Senat muss zudem sowohl für den Umgang mit Covid-19 als auch für künftige Krankheiten einen neuen Epidemie/Pandemie-Plan für Hamburg aufstellen, der die unterschiedlichsten Szenarien realistische abbildet. Dort sind neben der Bekämpfung einer Epidemie bzw. Pandemie auch Abstimmungs- und Kommunikationsprozesse mit der Bevölkerung und allen von Maßnahmen betroffenen Akteuren von vornherein zu berücksichtigen.